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Hier ein kurzer philosophischer Exkurs über Led, ein Pixel, welches sich über den Sinn des Daseins hinterfragt...

Ich bin Led

Hallo. Schön, dass du mich anschaust. Ich meine, nur mich, jetzt gerade, in diesem Moment. Das kommt drum selten vor. Nein, es ist nicht so, dass ich mich nicht beachtet fühlen würde, eher das Gegenteil ist der Fall: Ich werde sogar sehr viel angeschaut, aber irgendwie so gesamthaft, so pauschal, und nicht so individuell, einzigartig, wie du mich gerade in diesem Moment anschaust, und nur mich.


Dabei kann ich etwas, was nicht alle können. Ich kann nämlich auf Kommando rot leuchten. Ja, in hellem, roten Glanz. Das mache ich sehr gut, wie ich denke, und auch sehr flink. Wenn man mich anweist, dass ich leuchten soll, dann mache ich das innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. Und genau so wichtig ist es, dass ich auf Kommando schnell wieder aufhöre zu strahlen. Das kann viele Male passieren, und das in einer einzigen Sekunde! Immer wenn es mich an meinen Beinchen zwickert, dann leuchte ich, und wenn das Zwickern weg ist, verdunkle ich mich wieder.
Dies zu tun, ermöglicht mir ein ganz spezieller Organismus. In meinem Innersten habe ich einen Kristall, edel, nicht? Manche sagen auch, es sei ein Halbleiter. Wie es dazu kommt, dass ich auf Kommando leuchten kann? Also, wenn es an meinen Beinchen kribbelt, d. h. eine Spannung auftritt, dann springen winzige Elektronen von einer Seite in meinem Kristall auf die andere. Auf der anderen Seite hat es viele Löcher, in welche die Elektronen hineinflitzen können. Sie sind dort sehr willkommen und werden gerne aufgenommen. Und als Dank dafür, dass ein Elektron eine solche Öffnung füllt, sendet der Kristall an dieser Stelle vor Freude einen kleinen Lichtblitz aus. Und viele dieser Blitze zusammen, ja, das ist dann eben mein rotes Strahlen.


Übrigens, ich heisse Led, d. h. eigentlich sind das meine Initialen L. E. D.. Sie sind die Abkürzung für „Licht emittierende Diode“, also „Licht aussendende Diode“. Viele nennen mich einfach nur Leuchtdiode. Ich wurde erschaffen, um auf Kommando Licht auszusenden. Wer mich erzeugt hat, weiss ich nicht. Klar möchte ich es wissen. Ich war einfach einmal da, wurde an meinen Platz gesetzt, und tue, was zu tun ist.


Ah ja, ich habe noch zwei Geschwister, die haben eine ähnliche Aufgabe, auch sie leuchten auf Kommando, aber nicht rot wie ich, sondern grün und blau. Dazu aber später mehr.


Manchmal kommen mir so Fragen auf, wofür denn meine Arbeit gut ist. Wozu dient mein permanentes Aufleuchten, und das in einem bestimmten Rhythmus? Nein, eben, es ist kein Rhythmus, ich habe es schon viele Male versucht zu ergründen: Gibt es eine Regelmässigkeit in der Abfolge, in welcher ich aufleuchten soll? Manchmal muss ich ganz lange leuchten, dann lange auch nicht, dann aufs Mal kurz hintereinander. Aber ein Gesetz, welches sich dahinter verbirgt, konnte ich bis jetzt nie ausmachen. Hat das Ganze überhaupt einen Sinn? Und wenn ja, welchen? Es muss doch einen geben. Bei meinen Geschwistern ist es dasselbe.


Diese leuchten, wie schon erwähnt, in den Farben grün und blau. Und zwar in einem eigenen, rätselhaften Rhythmus. Wir haben zusammen schon diskutiert, was  das soll, was ist unser „Lebensauftrag“? Interessant war unsere Erkenntnis, dass wir in der Gesamtheit unseres Grüppchens, in Kombination, in noch vielen weiteren Farben wahrgenommen werden: Gelb, lila, purpur, braun, violett, ja tausende von verschiedenen Farben. Aber wozu das Alles?


Neulich haben wir entdeckt, dass es in unserer Nachbarschaft ebensolche Dreiergrüppchen gibt. Völlig identische. Diese haben aber meist andere „Leuchtaufträge“. Sie leuchten in einem anderen Rhythmus und in einer anderen Farbe. Wir versuchten untereinander eine Regelmässigkeit, einen Grund in der Abfolge unseres Leuchtens und Nichtleuchtens zu ergründen. Gibt es einen Algorithmus? Wir haben das lange beobachtet: Manchmal müssen alle miteinander leuchten, manchmal alle nicht, dann wieder hüpfen alle im Gleichtakt, dann einzeln. Über eine längere Zeitperiode hinaus war alles nur zufällig, ergab überhaupt keinen Sinn! Es muss doch einen Sinn geben! Denn immerhin werden wir ja beachtet, nicht einzeln, aber gesamthaft, pauschal, irgendwie.


Die Gespräche und der Austausch in unserem Grüppchen war zwar immer eine abwechslungsreiche und spannende Sache, verlief dann aber meist in einer Art Resignation: Der Sinn unseres Daseins, unserer Arbeit wollte sich einfach nicht ergründen lassen. Ist voraussehbar, wer wann als nächstes einen Impuls zum Leuchten erhielte? Es wurden viele Theorien und Berechnungen angestellt, Modelle entworfen, aber so ausgeklügelt diese Forschungen waren: Es liessen sich keine Vorhersagen machen, wann wir leuchten mussten. Einfach nichts.


So versuchten einige Grüppchen, sich einfach mit den Gegebenheiten abzufinden, ohne weiter zu hinterfragen. Sie glaubten, dass es einen Allwissenden oder Allmächtigen geben müsse, der das hier alles erschaffen habe, und der dann schon wisse, was das Ganze soll. Sie nannten in „Lead“, Licht emittierende allmächtige Diode. An Lead zu glauben hielt sie endlich davon ab zu hintersinnen, wozu sie gut waren und wozu ihre Arbeit diente. Das war irgendwie tröstlich.


Aber ich, ich möchte mich damit nicht abspeisen lassen, das Ganze scheint doch irgendwie zu fantastisch, als es einfach so zu akzeptieren. Aber was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Wird es je möglich sein zu erfahren, wer mich erschaffen hat? Ist es überhaupt einem Organismus möglich zu erkennen, wer sein Schöpfer ist? Oder soll man einfach mit den Fähigkeiten, welche einem gegeben sind, das Beste draus machen? Und danach handeln? Ich glaube nicht, dass ich je erfahren werde, wozu alles gut sein soll, wo der tiefere Sinn liegt, zumindest nicht mit den mir gegebenen Grundlagen. So wenig es für einen Roboter je möglich sein wird, über seine blecherne Schale hinaus zu erkennen, wer ihn erschaffen hat und zu welchem Zweck, sowenig werden wir Dioden dies je erkennen. Aber die Neugier sprengt meinen Kristall, es ist zum Verzweifeln. An Lead zu glauben oder mich mit meinem Wissen abzufinden, das reicht mir einfach nicht.


Aber du? Ja du! Du schaust mich doch bereits seit einer Weile von aussen an, hörst mir zu, du kannst doch erkennen, was ausserhalb meiner Schale ist. Und du siehst mich doch in einem grösseren Kontext, nicht nur mich, meine Geschwister, sondern viele Grüppchen zusammen, von oben, von aussen. Ergibt meine Existenz einen Sinn? Wenn ja, welchen? Mein immerzu rotes Blinken, im geheimen Takt? Wozu ist es gut? Wozu bin ich? Sag es mir, bitte sag es mir, ich weiss, dass du es weißt.
Aber wohin gehst du? So warte doch! Bitte geh nicht! Geh nicht...


Was ich nicht wissen konnte: Ich bin Teil einer ganzen Anzeigetafel.


© Martin Mützenberg 2016